Privacy-Handbuch

Mirror von awxcnx.de, Stand: 2013-05-13
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Wenn mir früher jemand gesagt hätte, ich würde freiwillig eine Wanze mit mir herum tragen und sie auch noch selbst aufladen, hätte ich laut gelacht.
Heute habe ich ein Smartphone. (Verfasser unbekannt)
Ob ich ein Smartphone nutze, werde ich manchmal gefragt. Gegenfrage: Braucht man das Ding wirklich oder ist eher ein nettes Spielzeug? Ich denke, Jakob Appelbaum hat recht:
Benutzt am besten gar keine Mobiltelefone. Oder wir müssen die Mobilfunktechnik so grundlegend neu entwickeln, dass sie keine Spionagetechnik mehr ist. (Interview)

Mit der zunehmenden Verbreitung von Smartphones entstehen neue Gefahren für die Privat­sphäre, die deutlich über die Gefahren durch datensammelnde Webseiten beim Surfen oder E-Mail scannen bei Mail Providern wie Google hinaus gehen.

Da wir die handliche Wanze immer mit uns umher tragen und unterwegs nutzen, ist es möglich, komplexe Bewegungsprofile zu erstellen und uns bei Bedarf zu lokalisieren. Stephen Lawson fasst die technischen Details zusammen: 10 Wege für ein Smartphone, um den Standort zu ermitteln (englisch). Greg Skibiski (CEO der Firma Sense Networks) beschreibt seine Vision von einer Zukunft mit breiter Auswertung der via Smartphone gesammelten Daten im Interview mit Technology Review wie folgt:
Es entsteht ein fast vollständiges Modell. Mit der Beobachtung dieser Signale kann man ganze Firmen, ganze Städte, eine ganze Gesellschaft röntgen.
Man sollte sich darüber im Klaren sein, dass es gegen die Lokalisierung und Beobachtung von Bewegungsprofilen so gut wie keinen technischen Schutz gibt.

Kommerzielle Datensammlungen

Die Auswertung der Standortdaten schafft einen neuen Markt für Werbung, der den bisherigen Markt für personenbezogene Werbung im Internet weit übertreffen soll. Bei den damit möglichen Gewinnen wundert es nicht, dass viele Teilnehmer aggressiv dabei sind, Daten zu sammeln:
  1. In Apples Datenschutzbestimmungen für das iPhone räumt der Konzern sich das Recht ein, den Standort des Nutzers laufend an Apple zu senden. Apple wird diese Daten Dritten zur Verfügung stellen. Für diese Datensammlungen wurde Apple mit dem BigBrother Award 2011 geehrt. Auszug aus der Laudation von F. Rosengart und A. Bogk:
    Apples Firmenstrategie scheint darauf ausgelegt zu sein, möglichst viele Daten der Nutzer zu erfassen, ähnlich wie es soziale Netzwerke auch tun. Werbepartner freuen sich darauf, mit Hilfe von Apple möglichst zielgruppengerechte und standort­bezogene Werbung auf dem Telefon anzeigen zu können.
  2. Mit der Software Carrier IQ, die auf über 140 Mio. Android Handys und auf einigen Apples iPhone installiert war, sammelten verschiedene Mobil Provider Informationen über die Nutzer. Die Software konnte nicht auf normalen Weg durch den Nutzer deinstalliert werden.
  3. Tausende Apps sammeln überflüssigerweise Standortdaten der Nutzer und übertragen sie an die Entwickler der Apps. Der Bundes­daten­schutz­beauftragte erwähnt beispiels­weise eine App, die das Smartphone zur Taschenlampe macht und dabei den Standort an den Entwickler der App sendet. Einige Spiele der Hersteller iApps7 Inc, Ogre Games und redmicapps gehen in ihrer Sammelwut so weit, dass sie von Symantec als Malware eingestuft werden. Die Spiele-Apps fordern folgende Rechte um Werbung einzublenden:
    • ungefährer (netzwerkbasierter) Standort
    • genauer (GPS-)Standort
    • uneingeschränkter Internetzugriff
    • Browserverlauf und Lesezeichen lesen
    • Browserverlauf und Lesezeichen erstellen
    • Telefonstatus lesen und identifizieren
    • Automatisch nach dem Booten starten
    Auch Spiele von Disney verlangen sehr weitreichende Freigabe, so dass sie nur als Spionage-Tools bezeichnet werden können.
  4. Einige Apps beschränken sich nicht auf die Übertragung der Standortdaten und Ein­blendung von Werbung. Die folgenden Apps haben auch das Adressbuch der Nutzer ausgelesen und ohne Freigabe durch den Nutzer an den Service-Betreiber gesendet:
    • die Social Networks Facebook, Twitter und Path
    • die Location Dienste Foursquare, Hipster und Foodspotting
    • die Fotosharing App Instagram
    • die VoIP Software Viper
    Besonders brisant wird diese Datensammlung, wenn Twitter alle Daten von Wikileaks Unterstützern an die US-Behörden heraus geben muss.

    Über die Firma Viper findet man kaum Angaben. Sitzt die Firma in Zypern, Israel, USA oder Weissrussland? Die auf der Webseite angegebene Kontakt-Adresse ist ein Brief­kasten auf Zypern, Telefonnummern haben amerikanische Vorwahlen und die Domain versteckt sich hinter Domains by Proxy. Trotzdem haben bisher 50 Millionen Nutzer die Liste ihrer persönlichen Kontakte der Firma zur Verfügung gestellt. Sehr seltsam.

    Eine weitere Studie wies nach, dass eine signifikante Anzahl von Gratis-Apps Daten an ein US-amerikanisches Werbenetzwerk senden. Adressbuch, Kalender und Aufenthaltsort werden routinemäßig an das Werbeunternehmen MobClix weitergeleitet.

Staatliches Tracking von Handys

Auch Strafverfolgungsbehörden und Geheimdienste nutzen die neuen Möglichkeiten: Auch in Deutschland wird die Lokalisierung von Handys und Smartphones mittels Funkzellen­auswertung zur Gewinnung von Informationen über politische Aktivisten genutzt: Neben der Ortung kann ein Handy auch zum Mithören der Gespräche vor Ort eingesetzt werden. Bereits 2007 hat das BSI empfohlen, bei Gesprächen mit sensiblen Inhalten keine Handys mitzuführen.
Aus Sicht des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) ist die effektivste Schutzmaßnahme ein Vermeiden des Mitführens von Handys bei Gesprächen mit sensitivem Inhalt, die Detektion jedweder Mobilfunkaktivität im Raum durch den vom BSI entwickelten Mobilfunkdetektor "MDS" sowie das Deaktivieren sämtlicher drahtloser Schnittstellen von Mobilfunkgeräten.
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